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Umsatzsteuerreform gefährdet Umsatzsteuerfreiheit des Musikunterrichtes

Am 23.9.29 formulierte der Deutsche Musikrat eine Pressemitteilung zum Thema Unsatzsteuerfreiheit des Musikunterrichtes. Hier in Gänze nachzulesen (Link).

PRESSEMITTEILUNG
Keine neuen Steuern für musikalische Bildung - Umsatzsteuerreform gefährdet
Umsatzsteuerfreiheit des Musikunterrichtes
Der von der Bundesregierung vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen
Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ sieht
eine Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen vor. Die
Änderung der bisherigen Befreiungsregelungen lässt befürchten, dass auch musikalische
Bildungsangebote künftig von zusätzlichen Steuerbelastungen betroffen sein könnten.
Das Bundesfinanzministerium betont in seinen bisherigen Aussagen, dass der Musikunterricht
nicht von der Novellierung des Gesetzes betroffen sei, denn unter der Voraussetzung, dass
hiermit auf einen Beruf vorbereitet werde, bliebe er wie in der Vergangenheit steuerfrei. Aus
dem Gesetzentwurf selbst und dessen Begründung geht dies jedoch nicht eindeutig und
zweifelsfrei hervor.
Der Deutsche Musikrat fordert, gemeinsam mit dem Verband deutscher Musikschulen, dem
Bundesverband der Freien Musikschulen und dem Deutschen Tonkünstlerverband von der
Bundesregierung und dem Gesetzgeber, steuerliche Vorgaben der EU (vgl. Art. 312 i), j)
MwStSysrRL) auf nationaler Ebene so umzusetzen, dass gesamtgesellschaftliche Zielsetzungen
wie „Bildung für alle“ und „kulturelle Teilhabe“ dabei keinen Schaden nehmen oder gar auf
der Strecke bleiben.
Hierzu Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Die Angebote
zur Musikalischen Bildung dürfen nicht durch die Reform zur Umsatzsteuer zusätzlich
belastet werden. Die öffentlich verantwortete musikalischen Bildung wie die der privaten
Anbieter müssen auf breiter Ebene steuerlich begünstigt bleiben, um kulturelle Teilhabe für
alle gesellschaftlichen Gruppen zu ermöglichen. Wir appellieren an die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages den Gesetzestext entsprechend zu präzisieren.“
Berlin, 23. September 2019
Deutscher Musikrat
Schumannstraße 17
D-10117 Berlin
www.musikrat.de
ViSdP: Prof. Christian Höppner
Tel +4930 30881010
Fax +4930 30881011
generalsekretariat@musikrat.de
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

 

Zu den Hintergründen:

Der vom Bundeskabinett am 31.7.2019 beschlossene Gesetzentwurf zu „Entwurf eines
Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung
weiterer steuerlicher Vorschriften“ sieht eine Zusammenfassung der zentralen
Umsatzsteuer-Befreiungsvorschriften für Bildungsleistungen in einer veränderten Norm (§ 4
Nr. 21 UStG) vor. Die Bundesregierung beruft sich dabei auf EU-rechtliche Vorgaben und die
Entwicklung der Rechtsprechung von EUGH und BFH, die eine Anpassung der Regelungen im
Deutschen Umsatzsteuergesetz erfordern würden.
Eine Gesetzesänderung mit einer Verengung der bisherigen Befreiungsregelungen lässt
zusätzliche Steuerbelastungen bei der Nutzung von musikalischen Bildungsangeboten
befürchten, die von zahlreichen Kindern und Jugendlichen an Musikschulen wahrgenommen
werden, nicht zuletzt auch aus einkommensschwachen und bildungsbenachteiligten Familien.
Neue steuerliche Belastungen für Bildungsleistungen stehen im Widerspruch zu offenen, allen
Bevölkerungsgruppen zugänglichen Bildungsangeboten, die gesellschaftliches Ziel und Ziel der
Regierungspolitik sind. Überdies stünde es auch im Gegensatz zum politischen Ziel der EU
selbst, den Zugang zu nationalen Bildungssystemen möglichst offen zu halten und nicht durch
steuerliche Beschränkungen zu erschweren.
Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass man bei der Frage, ob Leistungen
steuerfrei oder steuerpflichtig sind, zu vernünftigen Lösungen nur komme, wenn man die
Endverbraucher einbezieht (vgl. z. B. 2 BvR 2861/93 vom 10.11.1999). Systemgerecht sind
danach nur solche Befreiungen, die dem Endverbraucher dienen. Dies ist der Fall, wenn die
Unterrichtsgebühr für Bildungsleistungen nicht mit Umsatzsteuer belastet ist, insbesondere
bei den privaten Leistungsempfängern, die ja kein Recht zum Vorsteuerabzug haben.
Der Musikunterricht, der von öffentlichen wie privaten Musikschulen angeboten wird, droht
sich durch die von der Bundesregierung geplanten Änderung des Umsatzsteuergesetzes
drastisch zu verteuern. Kommunale Einrichtungen, die Musikunterricht als Gegenstand der
Daseinsvorsorge begreifen, und bisher nicht als Unternehmer im Sinne des
Umsatzsteuergesetzes angesehen werden, können spätestens ab 01.01.2021 von der
geplanten Änderung betroffen sein. Die daraus folgende Kostensteigerung müssten
letztendlich von den Schülerinnen und Schülern bzw. ihren Erziehungsberechtigten getragen
werden. Die Beschlussvorlage für das Jahressteuergesetz 2019 könnte im Ergebnis zur
Erhebung von 19% Umsatzsteuer auf die Leistungsangebote betroffener Musikschulen sowie
der privat unterrichtenden Musikpädagogen ab 01.01.2020 führen. Kinder und Jugendliche,
die an einer Musikschule, unabhängig von der Rechtsform des Anbieters, oder bei einem
Privatmusiklehrer ein Instrument oder Singen lernen möchten, würden ab 2020 die Chance
dazu verringern, weil die absehbare Verteuerung um 19% von vielen Eltern nicht mehr
geleistet werden kann.

Als Betreiber von Musikschulen oder auch als Privatmusiklehrer lassen sich in unserem Land
keine Reichtümer verdienen. Viele arbeiten schon heute mit äußerst geringen
Gewinnspannen am Existenzminimum. Wenn sich die Angebote der Musikschulen bzw. der
Privatmusikpädagogen nun aufgrund des Aufschlages der Umsatzsteuer um 19% verteuern,
ist ein Absterben dieser Angebote absehbar. Die Errungenschaft der Teilhabegesetze, die eine
Erhöhung der Zuschüsse von 10,00 € auf 15,00 € für Bezugsberechtigte vorsieht, sich auch
Musikunterricht leisten zu können, werden durch einen Wegfall der Umsatzsteuerbefreiung
neutralisiert. Im Ergebnis würde noch mehr Kindern und Jugendlichen der Zugang zu
Instrumental- bzw. Vokalunterricht verwehrt.
Darüber hinaus würden immer mehr Musikpädagogen in prekäre Arbeitsverhältnisse
gedrängt. Bereits jetzt ist eine steigende Zahl von Musikerinnen und Musikern darauf
angewiesen, mehrere Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig einzugehen, um den
Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Ein weiterer Kritikpunkt an dem vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung ist die
geplante Änderung des Bescheinigungsverfahrens.
Trägern von Musikschulen ist eine klare und eindeutige Regelung an die Hand zu geben, mit
Hilfe derer sie umsatzsteuerpflichtige und umsatzsteuerbefreite Angebote bzw.
Veranstaltungen rechtssicher abgrenzen können. Das bisherige Bescheinigungsverfahren ist
von fachlicher Ebene wie den zuständigen Landesbehörden beizubehalten. Dies
gewährleistet, dass die erforderliche fachliche und pädagogische Qualifikation der Lehrkräfte
von einer sachkundigen Stelle geprüft und entschieden wird.
Denn es ist kaum vorstellbar, dass Finanzbeamtinnen und Finanzbeamte seriös in die Lage
versetzt werden können, für den Musikunterricht qualitative Standards zu prüfen und darüber
zu entscheiden.
Die im Regierungsentwurf erwähnte Problematik der Rückwirkung der Bescheinigungen nach
§ 4 Nr. 21 a) bb) UstG besteht nicht mehr, denn diese ist gesetzlich geklärt worden (vgl. § 171
Abs. 10 AO).
Die Erhaltung des Bescheinigungsverfahrens würde die bisher nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b
UstG vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung für selbständige Dozent/innen gewährleisten. Die
Bescheinigung der Landesbehörde gem. § 4 Nr. 21 a) bb) UstG wirkt in Bezug auf das Merkmal
der „ordnungsgemäßen“ Vorbereitung auf einen Beruf bzw. staatlichen Prüfung, als
Grundlagenbescheid, an den die Finanzverwaltung -sachgerecht - gebunden ist.

(Quelle Deutscher Musikrat, September 2019)

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